Die Bückeberg-Formation von Salzbergen

 

Die Region des südlichen Emslandes gehört geologisch zu den interessantesten Gebieten Norddeutschlands. Die in dieser Region ehemals zahlreich vorhandenen natürlichen und künstlichen Aufschlüsse sind heute alle verschüttet oder nicht mehr zugänglich. Geologisch betrachtet stehen fast ausschließlich Ablagerungen der Unterkreidezeit oberflächennah an. Angefangen mit der Brackwasserfazies in Salzbergen oder dem Bentheimer Sandstein (Bad Bentheim), einem wichtigen Speichergestein der emsländischen Erdölvorkommen. So findet man in dieser Bucht eine große Vielfalt an Gesteinen küstenfernerer und -naher Ablagerungsräume vor.

Im Laufe von rund 40 Millionen Jahren kamen so Gesteine zur Ablagerung, deren Bildung eng verknüpft war, mit regionalen aber auch mit globalen Änderungen des ozeanischen Systems. Das lässt sich auch an den Einwanderungswellen der vielen Fossilien ablesen. Immer wieder kam es zu Migrationsschüben aus dem Borealmeer oder aus dem Tethysmeer. Nicht nur Ammoniten sind zu uns ins Niedersächsische Binnenmeer eingewandert, sondern auch Tiergruppen wie Muscheln, Fische oder Saurier. So dienten die Küsten-und Strandbereiche für Landdinosaurier als Straßen um zu weit entfernten Futterplätzen bequem zu gelangen.

Gegen Ende des oberen Jura vor 150 Millionen Jahren, vielen weite Teile von Deutschland wieder trocken und es bildete sich ein flaches Binnenmeer aus, das durch einige Landmassen räumlich nach Norden, Westen und nach Süden begrenzt wurde. Das neu entstandene Niedersächsische Becken erstreckte sich in Ost-West Richtung mit einer Länge von 280 km und einer Breite von ca. 100 km. Dieses isolierte Nebenmeer ist mit der Ostsee vergleichbar. Nördlich wurde das Becken von der Pompeckj’schen Schwelle, einer Landmasse aus Sandstein begrenzt, an der südlichen Küste lag das Rheinische-Festland, bestehend aus Trias- und Karbonsandschichten. Im Westen lag die Ostniederländische-Insel, bestehend aus Triassandsteinen und Juratonen die auch komplett der Meerestransgression während der gesamten Unterkreidezeit zum Opfer fielen.

Durch eine Schwellenbildung im Weser Raum, viel vor 152 Mill. Jahren der westliche Teil des Niedersächsischen Beckens, trocken. Doch zunächst kam es zu einer schlechteren Versorgung mit Meerwasser, was dann zur Eindampfung des Meeres und zu einer Hypersalinität während der Ablagerungszeit des Münder-Mergels führte. Im Serpulit, vor 146 Mill. Jahren, kam es zur stärkeren Aussüßung der Randbereiche und es gab jetzt nur noch selten Meereseinbrüche.

Da auch im Osnabrücker Raum einige Bereiche des damaligen Meeres trocken vielen, gleichzeitig aber Flüsse dem Meer Süßwasser zuführten, konnte sich vor 140 Mill. Jahren im Osnabrücker Raum ein Sumpfwald bilden. Seine Flora bestand hauptsächlich aus Nadelbäumen. Die Feuchtbereiche wurden von Farnen, Baumfarnen, Bennettitales und Cycadeen besiedelt. An den Wasserrändern wuchsen Schachtelhalm-Dickichte. Vereinzelnd standen auch Ginkgo-Bäume an den Waldrändern und Wasserläufen.

Aus dem dortigen Sumpfwald bildeten sich vier 50 cm mächtige Kohleflöze. Die Bentheimer Bucht wurde, geschützt vom Osnabrücker Sumpfwald zu einer sehr flache Lagune, die fast frei von Wellengängen war und auch insgesamt sehr geschützt lag. So konnten sich typische Süßwasserkalke mit reichlich Insekten-Fossilien ablagern. Erst in der unteren Bückeberg-Phase kam es zur Ingression des Meeres, also dem einströmen von Meerwasser und damit zum Anstieg des Meeresspiegels. So verschwand der Sumpfwald im Osnabrücker Raum und der Weg für das Meerwasser in die Bentheimer Bucht war wieder frei.

Niedersächsisches Becken im Berrias

Das Niedersächsische Becken im frühen Berrias

Die tiefste Stufe der Kreidezeit (Berrias 140,2 – 145,5 Mio. Jahre) ist im westlichen Teil ganz anders ausgebildet als die übrigen gleichaltrigen Schichten im Niedersächsischen Becken. Während im gesamten Niedersächsischen Becken überwiegend Ton- und Sandstein abgelagert wurden, handelt es sich im westlichen Teil um eine Wechsellagerung aus Tonstein und Schilllagen, die bis ins tiefe Valangin vorherrschten. Bestimmt werden die Sedimente des Berrias von bituminösen Blättertonen und Bänken aus Muschelschalen. So lagerte sich eine bis zu 400 Meter mächtige Schicht ab. Südlich von Schüttorf lassen sich sogar in den tiefen Osterwald-Schichten erste Silte in Rinnenfüllungen nachweisen.

Der starke Einfluss von Süßwasser brachte nur eine sehr monotone Fauna hervor. Die abgelagerten Muscheln und Schnecken kamen in so großen Mengen vor, dass diese Schichten bildeten. Bei den Lagen handelt es sich um aufsedimentierten Bänken aus Muschelschalen oder Schneckengehäuse die noch zu Lebzeiten zu Bänken aufgeschüttet wurden, andere Bänke bestehen nur aus zusammengespülten Schalenhälften und zerkleinerten Muschelschalen.

Bei der ersten Variante sind die Muscheln durch Sturmwellen mit Grundberührung aus dem Sediment ausgespült und in Form von Bänken als „Residual-Sediment“ neu abgelagert worden, also durch sturmverursachte Strömungen diese noch im lebenden Zustand als großflächige Muschelbank abgelagert. Teile des Flachmeeres sind vermutlich kurzeitig Trocken gefallen oder sauerstoffarm gewesen, so dass es zu einem massenhaften absterben der Muscheln kam. Durch Zersetzung der Weichteile und erneuten Stürmen wurden diese Schalen zu neuen Schalenpflastern an anderer Stelle abgelagert.

Muscheln Neomiodon mit FarbmustererhaltungBei der dritten Variante handelt es sich um bereits zerstörten Muschelschill, der als „allochthone Schill Tempesite“ abgelagert wurde. Hierbei handelt es sich um Partikelbänke mit scharfen Abgrenzungen zum Liegenden und zum Hangenden, doch sind diese Bänke mit einem Wellenmuster abgelagert worden. Diese Wellenrippeln stehen aber nicht Dicht zusammen, wie man sie aus sehr flachen Gewässern kennt, ihre Scheitelpunkte liegen zwischen >10 cm auseinander.

Neben den vielen Neomiodontiden lassen sich auch typische Süß- und Brackwasserbewohner nachweisen. Hierzu gehören Muscheln der Art Unia und Myrene, aber auch Schnecken wie die Sumpfdeckelschnecke Viviparus. Des Weiteren kommen in allen Bänken Wirbeltierreste isoliert vor. Eine für dieses Milieu überhaupt nicht typische Muschel ist die Mytilus membranaceus ( Dunker), diese hochmarine Muschel zeigt einen länger andauernden Meerwassereinbruch an.

Fische und Reptilien

Zwischen dem zerstörten Muschelschill lassen sich besonders viele Reste von Wirbeltieren finden, es handelt sich dabei häufig um isolierte Zähne, Schuppen und Wirbelkörper. Weitere Funde aus diesem Material sind Fanghaken von Belemniten, Koprolithen von Fischen aber auch Treibholzstücke, um nur einiges zu nennen. Diese Mengen an Mollusken zogen auch Fressfeinde an. So hatten sich einige Fischarten wohl auf diese Muscheln spezialisiert, von denen man häufig die Reste finden.

Von zwei Fischarten lassen sich besonders viele Fossilien bergen, von Lepidotus mantelli und Lepidotus maximus. Diese beiden Fische besitzen halbkugeligen Pflasterzähne, doch vorne im Maul des Kiefers saßen meißelartige Zähne, mit denen Muscheln und Krebse vom Untergrund aufgenommen werden konnten und mit den dahinter liegenden halbkugeligen Mahlzähnen zermalmt wurden. Lepidotus mantelli war eine kleinwüchsige Fischart, während L. maximus auch stattliche Maße von 2,50 Meter Länge erreichen konnte.

Seltener sind Funde von dem Molluskenfresser Coelodus. Coelodus hat sich bei der Nahrungswahl vermutlich komplett auf kleine Muscheln spezialisiert. Zum Knacken der harten Schalen war der Kauapparat perfekt angepasst. Das Gebiss bestand aus Knochenplatten die mit zahlreichen Zahnreihen besetzt waren. Vorne im Maul standen acht lange spitzkonischen Greifzähne (vier unten, vier oben) die Ideal zum aufsammeln oder greifen der Nahrung waren. Dahinter reihten sich Pflasterzähne mit länglichen und kugeligen Zähnen zu einer Zahnplatte. Damit ließen sich Muscheln, wie bei einem Nussknacker die Nüsse, leicht öffnen.

Der Prädator dieser Zeit, war der zu den Stachelhaien gehörende Hybodus. Mit langgestrecktem, torpedoförmigem Körper war dieser bis 2,5 m lange Hai der Fischjäger im Niedersächsischen Becken. Von Hybodus sind nur Flossenstacheln und Zähne überliefert. Die vier Hybodonten Hai-Arten aus dem englischen Wealden, kennt man bei uns nur Hybodus ensis und Hybodus basanus nachweißlich.

Im Beckentief des Niedersächsischen Beckens tummelten sich Schwimmsaurier. Diese Meeressaurier waren reine Fischjäger. Es handelt sich um eine vollständig an das Meer angepasste Form, die sich aus den Nothosauriden (Trias) entwickelten und in der Jura- und Kreidezeit zahlreiche Formenreihen und Arten bildeten. Sie bewegen sich elegant durchs Wasser, sind wendig und erreichen auch hohe Geschwindigkeiten, der lange Hals sorgte zusätzlich für Beweglichkeit. Diese hohen Geschwindigkeiten erreichten sie mit ihren vier großen Paddeln, die sie wie Flügelschläge von Libellen bewegten.

Nur selten wurden nach heftigen Stürmen einige tote Meeressaurier auch in die Brackwasserzone des Emslandes verfrachtet, was die extrem seltenen Knochenfunde erklärt. Meeressaurier die sich in diesen Flachmeerbereich verirrten und den Weg zurück ins Becken nicht fanden, verendeten dort. Letztere Möglichkeit könnten die Knochenfunde von Meeressauriern in Gronau erklären. Von dort sind Knochenfunde mehrerer Tiere eine Schwimmsaurierart (Gronausaurus wegneri früher Brancasaurus brancai, SIGFRIED) bekannt.

Die Vegetation

Während des oberen Jura glich Europa einem Inselarchipel. Der Meeresspiegel lag ca. 150 Meter höher als heute. Zur Zeit des Berrias lag Mitteleuropa zwischen dem 32 - 35° Breitengrad. Also tropische Bedingungen, blaues Meer und ausgedehnte Sandstrände wären in der heutigen Zeit ein beliebtes Urlaubsparadies. Das was sich so nach Urlaubsparadies anhört, wäre in Wirklichkeit für Menschen ein lebensfeindlicher Bereich gewesen.

Das ruhige ausgedehnte Binnenmeer mit seinen weißen Sandstränden und kleinen Sandbänken, wurde von riesigen Wäldern und Sümpfen umgeben. Diese Wälder hatten mit dem was wir heute unter „Wald“ verstehen noch nicht viel gemeinsam. Es war aber ein idealer Lebensraum für Insekten und Saurier.Archimesoblatta sp. ( 2,5 cm)

Im Landesinneren lagen kleine Sumpfgebiete, doch der größte Teil dieser Region wurde von Araucarien-Wäldern bestimmt. Die üppig begrünten Wasserläufe und sumpfigen Flussläufe waren die Heimat von Krokodilen und Schildkröten. Weitläufige baumfreie Flächen waren mit Farnen (Farnsteppen) bewachsen, diese Bereiche wurden von Herden pflanzenfressender Dinosaurier bevorzugt. Vereinzelnd standen auch Ginkgo-Bäume in Wassernähe.

Eine Besonderheit dieses Breitengrades sind die etwas seltsam aussehenden Baumfarne in bestimmten Abschnitten. Die Reste dieser Baumfarnart finden sich sowohl hier bei uns, als auch in England und wurden erstmals von STOKES & WEBB (1824) beschrieben. Die Engländer nannten diese Art „Endogenites erosa“ und beschrieben so eine neue fossile Palmen-Art.

1845 veröffentlichte CORDA Palmenähnliche Stämme aus der böhmischen Oberkreide und nannte diese Tempskya. Er war es, der erkannte, dass es sich nicht um einen Baumstamm handelte, sondern um einen sogenannten „Scheinstamm“. Dieser „Scheinstamm“ wurde in Europa bis 6 Meter hoch und bestand aus Luftwurzeln. Seine Verbreitung in der Kreidezeit war Weltweit, in Europa sind Funde aus Deutschland, Tschechien und England bekannt, diese  werden unter dem Namen Tempskya schimperi oder T. erosa geführt.

Die Pflanzenwelt war auch die Heimat vieler Insekten (Bild), die zahlreichen Funde von Insekten lassen auch Rückschlüsse auf die Vegetation in diesen Breiten zu.

Aufschlüsse

Die Brackwasserfazies des Niedersächsischen Binnenmeeres weist zwar gewisse Ähnlichkeiten mit dem Englischen Wealden auf, doch diese Ähnlichkeit trifft nur auf Teile der Meeresfauna und auf die Pflanzenflora zu. Die emsländische Bückeberg-Formation unterscheidet sich lithologisch stark von der Beckenfazies, den Kohleschichten des Osnabrücker Raumes und des Schaumburger Landes oder dem Hils-Sandstein. So entstand im westlichen Teil auch eine einzigartige monotone Fauna aus Muscheln und Schnecken die auch als „Deutscher Wealden“ bezeichnet wurde und heute unter Bückeberg-Formation läuft. Hier dominieren Neomidontide Muscheln, doch es sind keine endemischen Arten, sie lassen sich nämlich auch in England und Schweden und in Polen finden. In der Emsland-Formation wechseln sich Lagen mit Neomidontiden Muscheln und Paraglaukonitiden Schnecken ab.

Die Brackwassersedimente im Bereich Salzbergen bilden die Ausnahme schlecht hin. Hier hat sich ein hoher Anteil an organischen Kohlenstoff im Ölschiefer erhalten der in Richtung Bad Bentheim beträchtlich abnimmt. Nach Wiesner 1983 soll der Ölschiefer (auch Leder- oder Papierschiefer) ein Gehalt an organischem Kohlenstoff von 1,20 % bis 5,20% haben. Dieser organische Kohlenstoff stammt wohl von Algen vom Typ Botrycoccus. Zyklische Phasen der Algenblüte sorgten für unterschiedliche Mengen und damit für einen unterschiedlichen Gehalt an organischem Kohlenstoff im Sediment. In der Gemeinde Salzbergen stehen diese Schichten als Erhebung im Bereich Steide und Hummeldorf an.

Lithographische Darstellung des Berrias von Salzbergen

Lithographische Darstellung des Berrias von Salzbergen; Die Schichten fallen in südliche Richtung ein.

Und hier wurde auch 1860 die älteste Raffinerie der Welt (Salzbergen) in Betrieb genommen. Zwei Jahre lang produzierte man dort ca. 200 Liter Steinöl täglich, doch schon 1862 bekam auch Salzbergen das Öl aus Baku. Heute werden dort vor allem Weißöle für die pharmazeutische Produktion, aber auch Spezialschmierstoffe für Maschinen der Lebensmittelindustrie produziert. Durch zahlreiche Baumaßnahmen in dem Bereich des Ölwerks, ließen sich zahllose Fossilien und Mineralien bergen. Leider gibt es nur selten Tagesaufschlüsse in diesem Gebiet, so dass man als Sammler von Fossilien und Mineralien extrem viel Geduld und Zeit haben muss.  

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