Der Gildehauser Sandstein

 

Ein weit über die Grenzen Deutschlands bekanntes Hauterive-Gestein dieser Region ist der „Gildehauser Sandstein“. Der größte Teil der marinen Ablagerungen des Hauterive (130 – 136,4 Mio. Jahre) sind zwischen Losser und Bad Bentheim als Sandstein ausgebildet und werden weiter nördlich und östlich tonig. Dieses Gestein wird durch sein Ammoniten-Leitfossil Endemoceras noricum auch als "Noricum Sndstein" bezeichnet. Der Bentheimer Sattel besteht aus Ablagerungen des Bentheimer Sandsteins, aber auch aus den Ablagerungen des Gildehauser Sandsteins. Durch Salzbewegungen in der Oberkreide, wurde der Sattel aus der Umgebung herausgehoben und so wurden die in südliche Richtung einfallenden Schichten nach oben gedrückt. Es bildete sich so ein Bergrücken in Ost-West Richtung von dem heute nur noch ein Rund 95 Metern hoher Teil in Bentheim sich aus dem Gelände hebt.

 

Gildehauser Sandstein
Grafik zu den Unterkreideschichten, Gildehauser Sandstein (gelb), zwischen Losser (Windmühle) und Bentheim (Burg)

 

Der Sandstein

Lithographisch besteht dieser Neokom-Sandstein aus mergeligem oder kalkigem Feinsandstein und feinsandigem Mergelstein. Zum Teil ist der Sandstein mit kleinen Tonschlieren durchzogen, manchmal sind auch größere Tonplättchen eingelagert. Bei den Tongallen handelt es sich um Tongallen der Jura-Zeit. Zur Ablagerungszeit standen an der naheliegenden Küste noch Jura Sedimente an, denn weite Teile der Niederländischen Insel wurden großflächig vom Meer abgetragen.

 

Das Fehlen von konglomeratischen Gesteinen, spricht für einen küstenfernen Ablagerungsort. Diese Gesteinssedimente stammen von einem Fluß oder wurden durch Strömungen an diesem Ort gespühlt. Die Bentheimer Bucht war im Hauterive ein biologisch hochproduktiver  Meeresbereich. Hier lag die „Kinderstube“ vieler Fischarten und war insgesamt sehr reich an verschiedenen Tier- und Pflanzenarten. Dieses ist auch die Folge starker Strömungen, großer algenreicher Flachwasserbereiche und die Versorgung mit Nährstoffen. Jedoch ist ein vegetationsfreier Weichboden das am wahrscheinlich verbreiteteste Habitat dieses Meeresbodens gewesen, auch wenn Algenteppiche oder Schwammfelder einige Bereiche einnahmen.Treibholz

Im Sedimentationsraum dieses Flachmeerbereiches wurden mit dem Strömungen nicht nur große Wassermassen hin- und her bewegt, sondern auch große Mengen unterschiedlicher Materialien transportiert. Der Boden ist in ständiger Bewegung, an einer Stelle wird Sediment abgetragen um an anderer Stelle wieder abgelagert zu werden. Bei den transportierten Materialien handelt es sich vor allem um Sand, Schluff, Ton und Kalk aus zerriebenen Muschelschalen, sowie um organischer Substanz. So finden sich im Gildehauser Sandstein zahllose Bruchstücke von Muscheln, Seeigeln und auch die zerbrochenen Gehäuse von Ammoniten. Von diesen strömungsbedingten Sedimentbewegungen waren vor allem einige Muschelarten negativ betroffen. Schnelle Sedimentation bedeutete für viele Muscheln auch das schnelle Ende. Sehr viele Muscheln können noch in Lebendstellung (in Situ) gefunden werden.

Zu jener Zeit herrschten in der Bentheimer Bucht subtropische Bedingungen. Diese ausgedehnte Meeresbucht mit seinen weiten Küstenbereichen und kleinen Inseln wurde von riesigen Wäldern und Sümpfen umgeben. Es war ein idealer Lebensraum für Insekten, Reptilien und Sauriern. Über Flüsse wurden während der Regenzeiten große Mengen an Sand und Pflanzen ins Meer gespült. Von diesen Urwäldern, die zu 90 % aus Nacktsamern bestanden, findet man häufig Treibholzstücke. So ein Baumstamm, wenn er dann einmal auf den Meeresgrund gesunken war, bot einigen Organissmen Schutz und auch Unterkunft. So wurde ein Stück Holz schnell von bohrenden Muscheln oder von Schwämmen in Besitz genommen. Im Strömungsschatten siedelten nicht nur diverse Tiere, sondern es konnten auch so Gehäuse von Ammoniten der Zerstörung durch die Strömmung entgehen.

Die Sandsteine haben eine reichhaltige Fauna und Flora mit überliefert. Zwar ist es nicht möglich, Fossilien mit Kalkschalenerhaltung zu finden, aber auch die Abdrücke und Steinkerne sind von guter Qualität. Die Fülle der Fossilien aus dem „Gildehauser Sandstein“ zeigt ein reiches Spektrum an Meeresbewohnern aller Art. Ergänzt werden diese marinen Fossilien von Pflanzlichem Material, dazu gehören nicht nur Treibhölzer, sondern auch Pflanzenteile von Welwitschia.

Bewohner des Nektons (Wassersäule)

Zahlreiche Fischarten bilden neben Ammoniten und Belemniten, Schildkröten und Saurier die aktiv schwimmenden Nektonbewohner. Organismen, wie das Plankton oder Quallen, auch Bestandteile des Nektons, wurden durch Strömungen bewegt. Fische waren damals wie heute nicht nur Jäger sondern gehörten auch zum Beuteschema von Predatoren, wie Haifischen oder Meeressauriern. Haie waren sowohl im Nekton (Wassersäule) als auch im Pelagial (Grundbereich) zu finden. Viele planktonverzehrende Fische der oberen Wasserschicht (Epipelagial) haben eine strömungsgünstige Körperform und bildeten große Schwärme. So nutzten sie im ungeschützten offenen Wasser,  sicher diesen Vorteil gegenüber einigen Raubfischen oder Sauriern aus. Die Zahl in Bodennähe (Pelagial) lebender Fischarten dürfte etwa zehnmal höher als im freien Wasser gewesen sein, denn dort war das Nahrungsangebot deutlich höher.

Die in der Wassersäule lebenden Fische sind nach ihrem Tod direkt von Bodenlebewesen fast rückstandsfrei beseitigt worden. Was Fische, Krebse, Muscheln und Schnecken nicht schafften, erledigten Bakterien. Deshalb lassen sich ganze Fische gar nicht in den Sandsteinsedimenten finden, vielmehr sind es isolierte Reste wie Knochen, Schuppen und Zähne die lose zerstreut oder auch auf einzelne Stellen konzentriert im Sediment zu beobachten sind. In Ausscheidungsresten (Koprolithen) großer Fische und Speiballen von Meeressauriern lassen sich neben Fischresten auch unverdauliche Teile von Krebsen finden. Von Ammoniten und Belemniten lassen sich unterschiedliche Überlieferungen finden. Die Ammonitengehäuse sind meist nur fragmentarisch zu finden. Bei den Belemniten sind nur die Rostren als Holformen überliefert. Serpeln lassen sich selten finden, hier sind es meist Arten wie Genicularia globosa (REGENHARDT) und Serpula antiqua, deren Steinkerne und Hohlräume man in den Sandsteinen findet. Letztere gehören zu den Röhrenwürmern und haften oft an Muscheln oder an Ammonitengehäusen.

 

Bewohner des Benthos (Meeresboden)

Häutungshemd von Mecochirus sp.Krebse der Art Mecochirus findet man recht häufig in diesen Sandsteingeröllen. Oft sind es aber nur Häutungsreste oder einzelne Gliedmaßen, nur ganz selten lassen sich ganze Exemplare finden.

Seelilien benötigen ein Riff oder einen Hartgrund, letzterer wird auch von Treibholz und Ammonitengehäusen gestellt. Nach ihrem Tod zerfallen sie in Einzelteile und man findet nur noch isolierte Stielglieder. Auch die Krone zerfällt, wobei man die Fangarmglieder manchmal noch nestartig zusammenliegend findet.

Seeigel wie Toxaster, bevorzugen Schlammgründe, sind daher selten zu finden. Reste vom großen Rhabdocidaris lassen sich dagegen häufig im Gildehauser Sandstein finden. Die langen, auch kräftigen Stachel, sind aber meist genau wie die Gehäuse zerbrochen.

Die verschiedenen Arten der Wasserfiltrierer stellen unterschiedliche Ansprüche an die Festigkeit des Substrats. Sie sind die am stärksten vertretenen Arten. Muscheln und auch Stücke von diesen lassen sich sehr häufig finden, die einzelnen Arten, die zu Lebzeiten unterschiedliche Bedingungen benötigten, geben uns aber heute noch Aufschluss über das Leben vor Millionen Jahren. Einige Arten benötigen eher Weichgründe, andere kommen mit dem Substrat Sand sehr gut zurecht.

Viele Muscheln sind im Erwachsenenstadium ortsfest und können sich über kurze Entfernungen auf dem Substratuntergrund fortbewegen. Dabei wird der Fuß in den Untergrund geschoben und durch Einpressen von Körperflüssigkeit verankert um anschließend das ganze Tier nach zu ziehen. Auf diese Weise können Muscheln sich nicht nur auf dem Gewässerboden fortbewegen, sondern sich auch im Sediment eingraben. Die Schalenform der Muscheln ist an ihre jeweilige Lebensweise haben angepasst. Da Muscheln aus unterschiedlichen Gruppen oft ähnliche Lebensweisen, wie etwa im Sediment vergraben oder durch einen Sipho Wasser filtrieren, bilden sie trotz geringer Verwandtschaft oft ähnliche Schalenformen aus. Der Zusammenhang zwischen Schalenform und Lebensweise ermöglicht auch die Rekonstruktion der Lebensweise fossiler Formen und eventuell auch deren Habitate.

Muschel Pholadomya sp.Gastropoden gehören eher zu den seltenen Funden im Gildehauser Sandstein. Dennoch konnten in den vielen Jahren einige zusammen gesammelt werden. Aber noch seltener als Schnecken sind Muschelkrebse (Brachiopoden), sie  sind reine zufallsfunden. Auch selten zu finden ist korallenähnlichen Strukturen im Sandstein. Hier handelt es sich um eine Bryozoen Kolonien. Das Aussehen dieser verästelten Struktur weist auf eine Bryozoen-Form mit dem Namen Stomatopora dichotoma hin.

Schwämme sind nicht in körperlicher Form überliefert, dennoch kann man ihre Spiculas finden. Mögliche Kandidaten wären Elasmostoma, Peronidella oder Corynella, die man aus Frankreich (Valangin) oder England (Greensand) kennt.

Spurenfossilien (Ichnofossilien) geben oft entscheidende Hinweise was für weitere Organismen noch im oder auf dem Meeresboden lebten. Auch gibt Bioturbations-Gestein wichtige Hinweise zu Wassertiefen und Temperaturen an.

Würmer, von denen einige Spuren oft stammen, sind der Beweis für ein sauerstoffreiches Sediment, das eine Bodendurchwühlung zulässt. Einzelne Stellen im Gestein sind komplett mit Wühlspuren durchzogen, die sich farblich deutlich vom Sediment abheben. In solchen Geröllsteinen lassen sich keinerlei fossilen Reste anderer Tierarten mehr finden. Vermutlich handelt es sich hier um Zeugen für „Fressorgien“ eines Tierkadavers. 

Die Standard-Lebensspur sind Bauten der Form Thalassinoides, die von Tieren in weichem, doch stabilem Sediment angelegt werden. Von diesen lassen sich zahlreiche kleine Gänge finden. Dazu kommen Phosphatknollen die sich auch immer wieder finden lassen, hier handelt es sich zum Teil um Speiballen von kleineren Sauriern. Die unverdaulichen Nahrungsreste wurden ausgewürgt und landeten auf dem Meeresboden. Speiballen enthalten Fischreste, Teile von Schnecken und Muscheln und überwiegend Panzerstücke von Krebsen.

 

Fossilverzeichnis:

(Stand Dez. 2016)

Ammoniten:

Endemoceras noricum (Roemer)

Endemoceras longinodum (Neum. & Uhlig)

Endemoceras enode (Thiermann)

Endemoceras sp.

Simbirskites sp. (?)

Spitidiscus ex gr.rotula (Sowerby)

Crioceratites sp.

Belemniten:

Oxyteuthis canaliculatus

Oxyteuthis sp.

Hibolithes jaculoides (Swinnerton)

Muscheln:

Pholadomya sp.

Panopaea neocomiensis (Leimerie)

Panopaea plicata (Sowerby)

Panopaea dupiniana (d’Orbigny)

Goniomya caudata (Agassiz)

Goniomya cf.villersensis (Pictet & Campiche)

Grammatodon (Arca) carinata

Thracia phillipsi (Roemer)

Thetironia schaumburgensis (Harbort)

Hartwellia tealbiensis (Woods)

Lucina reichei (Roemer)

Nuculana ovata (Mantell)

Lima skulpta (Pictet & Campiche)

Lima ferdinandi (Weerth)

Lima sp.

Pinna robinaldina (d’Orbigny)

Mytilus sp.

Modiolus sp.

Acesta longa (Roemer)

Acesta sp.

Cucullaea texta (Roemer)

Buchia sp. (?)

Camptonectes (Maclearnia) cf. cinctus (Sowerby)

Camptonectes striatopunctatus (Roemer)

Camptonectes sp.

Entolium orbiculare (Sowerby)

Oxytoma cornueliana (d’Orbigny)

Aetostreon latissimum (Lamarck)

Pterotrigonia cf vectiana (LYC)

Toredolites in Treibholzstücken

Schnecken:

Putilla roemeri (Dunker)

Khetella brunsvicensis (Wollemann)

Ceratosiphon sp.

Bathrotomaria aff. granulifera (Münst.)

Bathotomaria sp.

3 Reste non.det.

Stachelhäuter:

Toxaster retusus (Lamarck)

Rhabdocidaris orbignyana (Agassiz & Desor)

Cidaris sp.

Isocrinus lissajoux (Loriol)

Krebse:

Mecochirus ornatus (Phillips)

Hoploparia longimana (Sowerby)

Brachiopoden:

Lamellaerhynchia bertheloti (Kilian)

Würmer:

Serpula antiqua (Sowerby) 

Genicularia globosa (Regenhartd)

Schwämme:

Nur Nadeln verschiedener Arten

Wirbeltierreste:

Schuppen + Knochen

Speiballen

Pflanzen:

Athrotaxis kurrians (Zweigstück)

Welwitschia sp. (männlicher Fruchtstand)

Treibholz

Spurenfossilien:

Thalassinoides

Orphiomorpha sp.

Rhizocorallium

Mineralien:

Markasitknollen


Text Harald Rohe

Erstellt: 2/2016

Letzte Aktualisierung: 2017

 

 

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